41 BACKÖFEN UND HERDE BACKÖFEN UND HERDE Man darf ihn ruhig besessen nennen. Woche für Woche fährt David Schnapp quer durch die Schweiz oder sogar Europa, sitzt bei Sterne- köchen zu Tisch, fährt wieder heim nach Zürich, schreibt einen detail- lierten Bericht und publiziert ihn samt Bildern auf seinem Gourmet-Blog «Das Filet» (www.dasfilet.ch). Ein bis zwei Tage pro Artikel ist ihm das wert – und das merkt man: Keine vergleichbare Schweizer Website ist so gut gefüttert wie seine. Ein Hobby? Ja, aber eines mit professionellem Anspruch. David Schnapp ist von Beruf Journalist und Autor; unter anderem schreibt er in der «Weltwoche» über Restaurants. Die Essleidenschaft erwischte ihn schon als Bub. «Meine Grossmutter war eine fantastische Köchin», erzählt er. «Zu Weihnachten gab es immer Kalbsmilken-Pastetli, im Sommer Gelee mit Beeren aus dem Garten.» Er selber lernte in der sechsten Klasse kochen: «Die ersten Gerichte waren Pilawreis und Toast Hawaii.» Was ihn heute an der Sterneküche fasziniert, ist «diese Mischung aus Handwerk und Kreati- vität. Kochen ist ein Handwerk für alle Sinne.» Und seine eigene Küche? Tja, da wird’s langsam eng. Müssen ja irgendwo hin, der Combi-Steamer und der konventionelle Ofen, die Eis- Maschine, das Kammervakuum-Gerät, der Sous-vide-Thermostat. Die Regalwand im Wohnzimmer wird von Kochbüchern okkupiert, und im Flur stapeln sich Stauboxen mit Küchenzubehör. «Man muss nicht Ballett tanzen können, um über Ballett zu schreiben», sagt Schnapp, «aber wer über Spitzenküche schreibt, sollte die wichtigsten Profitechniken kennen.» So besorgt er sich auch mal Flüssigstickstoff, um Kräuter für eine Suppe nach Caminada zu gefrieren. Thermometer auf Tuchfühlung Fast unspektakulär erscheint daneben der Backofen. Doch: «Er ist bei mir im Dauereinsatz.» Vor allem zum Zartgaren von Fleisch schwört er darauf. «Ein Rinds- oder Kalbsfilet, auch Wild oder Taube mit ihrer empfindlichen Textur – sie alle mögen trockene Hitze.» Das Prinzip ist simpel: «Ich brate das Stück kurz in der Pfanne an, so dass es schöne Röstaromen bekommt, und lasse es dann ganz sanft im Ofen gar- ziehen.» Die Kerntemperatur überwacht er mit einem Thermometer, das er in eine Buchse direkt im Ofen einsteckt. Auch Lachs auf Gemüse gart bei sachter Hitze ohne Dampf. Und lachend erinnert er sich an ein Weihnachtsfest, an dem sich seine deutsche Ehefrau eine sächsische Weihnachtsgans wünschte. «Ich machte dann im Ofen eine Ente à l’orange – und als sie auf dem Tisch stand, stellte sich heraus, dass wir die Vögel verwechselt hatten! Aber die Ente war äusserst zart.» Das zweigeteilte Poulet Manchmal hält der Ofen für Ausgefallenes her. «Ich mache zum Beispiel mein eigenes Tomatensalz. Dafür hacke ich Tomaten, Kräuter und Knoblauch, vermenge sie mit Meersalz und lasse die Mischung zwei bis drei Tage im Ofen trocknen.» Für Pouletschenkel wiederum braucht er Backofen und Combi-Steamer gleichzeitig: «Das Fleisch gare ich sous-vide im Steamer; die Haut brate ich zwischen zwei Silikonmatten im Ofen knusprig.» Und wenn es nach David Schnapps Kindern, vier und dreizehn Jahre, geht? «Dann gibt es Pizza!» «WILD ODER TAUBE MIT IHRER EMPFINDLICHEN TEXTUR MÖGEN TROCKENE HITZE.» David Schnapp, Food-Journalist