Anne-Sophie Pic über das Wesen eines Gerichts

Die mit insgesamt zehn Michelin-Sternen ausgezeichnete Anne-Sophie Pic ist in allen Belangen eine Ausnahmeerscheinung. Doch die Autodidaktin hat auch eine humorvolle und bescheidene Seite, insbesondere wenn sie mit einem Lächeln zugibt, dass sie noch nicht immer so gut kochen konnte wie heute. Ihr Restaurant Maison Pic liegt in Valence, in derselben Region Frankreichs, in der ihre Urgrossmutter 1889 mit der Auberge du Pin das erste Restaurant der Familie eröffnet hat.

Die Farbe Grün dominiert in Ihrer Küche. Hat das einen Grund?

Das ist eine gute Frage. Der Hauptgrund dafür ist, dass ich mich immer sehr freue, wenn diese Farbe sich im Frühling wieder zeigt, nachdem ich sie in den Wintermonaten sehr vermisst habe. Für mich verkörpert die Farbe Grün den Geist eines Gerichts – sie kann auch die einzige Farbe auf dem Teller sein. Sie steht für die Natur und das Leben selbst. Sie hat auch einen engen Bezug zum Geschmack: natürlich aber fröhlich und regenerierend.

Können Sie die Zusammenstellung Ihrer Gerichte nach Farben und Texturen beschreiben?

Es gibt verschiedene Herangehensweisen, aber für mich verleiht hauptsächlich der aromatische Rahmen einem Gericht seine Daseinsberechtigung. Er sorgt für das Zusammenspiel der Zutaten. Und dann kommt die Textur, also wie die Elemente oder Zutaten miteinander interagieren. Die Zubereitung bewirkt auch noch etwas und schliesslich verleiht die Präsentation dem Gericht seinen Charakter. Alle diese Elemente zusammen machen den Geschmack aus und lösen – so hoffe ich oder so hoffen wir – eine Emotion aus.

Könnten Sie diesen Entstehungsprozess an einem Gericht veranschaulichen, das derzeit auf Ihrer Speisekarte steht?

Vielleicht kann ich die Geschichte eines unserer Signature Dishes erzählen: der Berlingot. Er ist ein gutes Beispiel für meine heutige Küche. Ich nenne das Gericht «Verdeur fondante» (Schmelzendes Grün) – meine Gerichte haben oft Namen, die wie ein Haiku klingen. Es entstand aus einer herausfordernden Idee: Ich wollte eine Teigtasche mit Käsefüllung machen, aber in einer anderen Form, als ich sie bisher kannte oder als es sie bisher gab. Ich war fasziniert von den Berlingots, einer Art Fruchtbonbons aus Carpentras in Frankreich. Und so entstand ganz intuitiv dieses Gericht.

Anne-Sophie Pic ist in Valence, Frankreich, geboren. Die Tochter und Enkelin zweier wichtiger Persönlichkeiten in der französischen Gourmet-Szene wollte ursprünglich nicht in deren Fussstapfen treten. Nachdem sie einige Jahre im Ausland gearbeitet hatte, kehrte sie jedoch ins Maison Pic zurück, um von ihrem Vater, der leider wenige Monate später verstarb, sein Handwerk zu erlernen. 1993 übernahm sie das Familienunternehmen zusammen mit ihrem Ehemann David Sinapian und 1997 die Leitung der Küche des Restaurants. Ohne formale Ausbildung gewann sie die drei Michelin-Sterne des Restaurants zurück. 2007 wurde sie als einzige weibliche Küchenchefin in Frankreich mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Heute besitzt die Pic-Gruppe Restaurant auf der ganzen Welt.

Wie experimentieren Sie heute? Beginnen Sie mit spezifischen Produkten oder Zubereitungsarten?

Wenn ich ein neues Gericht kreiere, brauche ich beides, Zutaten und Zubereitungsarten. Die Zubereitungsart ermöglicht es mir, die Zutaten hervorzuheben, zu verwandeln oder zumindest anzureichern. Das ist eine Methode, die ich in der Küche sehr gerne verwende: Ich füge einer Zutat einen anderen Geschmack hinzu, ohne dabei ihren eigenen Geschmack zu übertönen. Damit verändere ich das Aroma nicht, sondern reichere es an. Das kann durch Einlegen, Marinieren oder Backen erreicht werden. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten. Heute nutze ich die Fermentation viel öfter als früher. Damals interessierte sie mich nicht, weil ich damit auch noch nicht viele Erfahrungen gemacht hatte. Aber jetzt erkunde ich die Fermentation leidenschaftlich gerne.

Eine weitere meiner Lieblingsmethoden ist das Mörsern.

Wenn ich eine neue Aromapalette erstelle, muss ich meine Intuition bestätigen können. Und der schnellste Weg, diese zu testen, ist mit Mörser und Stössel. So kann man Zutaten fein und schonend zerreiben, woraus zuerst ein Geruch und dann der ganze Geschmack entsteht. Mörser und Stössel geben mir beim Mischen verschiedener Aromen und Gerüche die Sicherheit, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Was meinen Sie mit «auf dem richtigen Weg»? Muss man sich das als die Suche nach Perfektion vorstellen?

Mich interessiert Perfektion an sich nicht. Mich interessiert viel mehr der Weg dahin: das Verschieben von Grenzen, die mich aufhalten oder einschränken könnten, und das Erforschen von Emotionen. Nur so kann ich die erzeugte Emotion weiter wahrnehmen, die wiederum nur durch den Gaumen bestätigt werden kann.

«Ich schätze die Entschlossenheit von V-ZUG, gute Produkte herzustellen, das Streben nach Spitzenleistungen und die Wichtigkeit, die der Ästhetik beigemessen wird.»

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Sie haben erwähnt, dass Sie sich bei den Produzentenbesuchen Notizen machen. Prüfen Sie dann Ihre Intuitionen gleich anschliessend in der Küche?

Jede Zutat in ihrem ganzen Wesen zu verstehen ist etwas sehr Wichtiges in der Küche. Und die Beziehung zu den Produzenten hilft, dieses tiefgreifende Verständnis zu erlangen. Die Neugierde treibt uns an und ermöglicht es uns, zu entdecken, zu kreieren und an unsere Grenzen zu gehen. Und dann ist natürlich auch das Teamwork wichtig. Gemeinsames Erforschen und gemeinsame Anstrengungen bringen uns voran, lassen uns Rückschläge überwinden und gemeinsam Erfolge feiern.

Gibt es etwas, was Sie gerne früher gewusst hätten?

Man kann nicht auf die Zukunft hinarbeiten, wenn man Vergangenem nachtrauert. Ich bereue nicht, als junge Frau meine Karriere in der Küche begonnen zu haben. Es ist ein wundervolles Gefühl, wenn man merkt, dass man genau die Arbeit macht, von der man schon immer geträumt hat und für die man von Tag zu Tag mehr Leidenschaft entwickelt. Denn diese Leidenschaft verblasst nicht – sie wächst. Der Rat, den ich allen jungen Frauen geben würde, die in diesen Beruf starten wollen und Zweifel haben, ist: Vertraue in dich selbst, denn Zweifel und Rückschläge kennzeichnen oft den Anfang des Erfolgs. Man muss sie durchlebt haben, um erfolgreich zu werden. Das muss man einfach akzeptieren.

Wie laden Sie Ihre Batterien auf, wenn Sie gerade nicht Produzenten besuchen oder in der Küche experimentieren?

Das ist ein wichtiges Thema. Jeder Mensch, egal in welchem Beruf, braucht Raum zum Atmen. Ich denke, eine Möglichkeit ist, sich von anderen inspirieren zu lassen: Kunst kann Batterien aufladen, aber auch eine Mahlzeit mit einem lieben Menschen oder guten Freund können diesen Zweck erfüllen, weil man sich austauscht und etwas teilt. Mit Neugierde neue Kulturen zu entdecken ist natürlich auch eine Bereicherung und Inspiration. Dadurch erkennen wir, wo wir stehen und wo wir uns auf unserem Weg befinden.

Haben Sie eine Routine, die Ihnen wichtig ist?

Ja, es gibt ein Ritual, das mich beruhigt und in den Arbeitsmodus kommen lässt: Tee. Ohne könnte ich nicht leben. Ich kann ohne meine Tasse Tee nicht in den Tag starten. Es ist nicht nur das Trinken des Tees, auch wenn mich das morgens munter macht. Es geht auch um das Ritual der Zubereitung, zum Beispiel das Wasser auf die richtige Temperatur zu bringen, selbst wenn das heute automatisch geschieht. Das Ritual ist mir vertraut, es beruhigt mich und macht mich glücklich.

Gibt es einen Geruch, den Sie besonders mögen?

Natürlich. Das ist der Geruch der Orangenblüte, also die Blüte der Sevilla-Orange, aus der Neroli für die Parfümherstellung gewonnen wird. Vor Kurzen hatte ich die Gelegenheit, in Vallauris Orangenblüten zu destillieren. Das war ein unglaubliches Erlebnis. Die Orangenblüte hat ein ganz besonderes Aroma: Es erinnert mich an zwei Gebäcke aus meiner Heimatregion, die Pogne valentinoise und den Suisse valentinois. Ihr Geruch und Geschmack waren in meiner Kindheit immer präsent.

Wie sind Sie zu V-ZUG gekommen?

Unsere erste Zusammenarbeit mit V-ZUG widerspiegelte unsere geteilten Werte. Wie mein eigenes Unternehmen begann auch V-ZUG ursprünglich auf nationaler Ebene und expandierte dann ins Ausland. Dieser Wandel, der wohlüberlegt und mit menschlichen Werten im Mittelpunkt erfolgte, hatte einen grossen Einfluss auf mich. Ich schätze ausserdem die Entschlossenheit von V-ZUG, gute Produkte herzustellen, das Streben nach Spitzenleistungen und die Wichtigkeit, die der Ästhetik beigemessen wird. Auch das Engagement des Unternehmens für die Umwelt, insbesondere das Ziel, die CO2-Emissionen auf «Netto-Null» zu reduzieren, deckt sich perfekt mit meinem eigenen Vorhaben, meine Küche so anzupassen, dass sie immer umweltfreundlicher wird und immer mehr auf Pflanzen basiert. Die Werte von V-ZUG stimmen komplett mit denjenigen meiner Heimatregion Drôme und meines Unternehmens überein.

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