Wir haben Emilia Terragni, Editorial Director bei Phaidon, Andy Baraghani, Spitzenkoch und Autor von The Cook You Want To Be, und Bryant Terry, afroamerikanischer veganer Koch, Ernährungsaktivist und Autor von Black Food zum Interview getroffen. Zusammen sprachen wir darüber, wie sich ein Kochbuch von anderen abhebt, wie sich Kochbücher entwickelt haben und was sie uns über die Gesellschaft erzählen können.
DANIELLE PENDER Beginnen wir ganz am Anfang. Welche Kindheitserinnerungen an Essen und Mahlzeiten haben Sie? Bryant, möchten Sie beginnen?
BRYANT TERRY Klar. Einige meiner liebsten Kindheitserinnerungen sind die Familientreffen, bei denen sich alles ums Essen drehte. Wir trafen uns oft bei meiner Grossmutter mütterlicherseits in Memphis. Sie verbrachte jeweils den ganzen Samstag mit den Vorbereitungen für das Essen am Sonntag, und ich durfte mithelfen. Ich durfte für sie also Sachen aus dem Gemüsegarten holen, grünes Blattgemüse waschen oder die feuchten und die trockenen Zutaten für ihr Maisbrot und ihre Kuchen mischen. Das waren für mich einige der wichtigsten Momente, in denen meine Liebe fürs Kochen entstanden und gewachsen ist.
Am Sonntag kam dann die ganze Familie mit all meinen Cousins und Cousinen, Tanten und Onkeln zusammen und wir setzten uns an einen grossen Tisch im Garten. Ich komme aus einer Künstler- und Sängerfamilie. Mein Onkel spielte also oft Klavier und die anderen sagen dazu. Mein Kochbuch und die Art, wie ich darin Kunst, Musik und Rezepte verbinde, sind aus diesen Erlebnissen im Familienkreis entstanden.
DANIELLE PENDER Das klingt wunderschön. Andy, was sind Ihre Kindheitserinnerungen im Zusammenhang mit Mahlzeiten und Kochen?
ANDY BARRAGHANI Ich bin in einer iranischen Familie aufgewachsen. Meine Eltern kamen in den 1970er-Jahren in die USA, genauer nach Berkeley, Kalifornien. Das war zwei Jahre vor der Islamischen Revolution im Iran. Die Essenstraditionen aus ihrem Heimatland brachten sie mit. Ich glaube, dass die Traditionen aus meiner Familie in Kombination mit dem Einfluss der East Bay, also dem östlichen Teil der Bucht von San Francisco, mir eine einzigartige Kindheitserfahrung ermöglicht haben. Meine Eltern arbeiteten beide Vollzeit, aber meine Mutter schaffte es trotzdem irgendwie, jeden Abend zu kochen. Wir haben eine grosse iranische Familie in Kalifornien und es waren immer zwei oder drei Personen mehr am Tisch. Am Ende erlebte ich so die äusserst reiche Kultur der persischen Küche, aber mit kalifornischen Zutaten. Meine Mutter ist eine kreative Köchin und führte mich in die iranische Küche und spezifisch regionale Rezepte ein.
DANIELLE PENDER Und Emilia, Sie sind zurzeit in Como, wo Sie aufgewachsen sind. Wie haben Sie als Kind die Mahlzeiten erlebt?
EMILIA TERRAGNI Bei uns ging es beim Essen vor allem um Familie und Freunde. Meine Mutter war eine fantastische Köchin und liebte es, andere zu bewirten. Deshalb waren bei uns immer viele Menschen um den Tisch versammelt. Vor grossen Anlässen wie Weihnachten standen wir tagelang in der Küche. Und am Sonntag waren wir zum Mittagessen immer bei unseren Grosseltern – das war eine schöne Art, mit der Familie in Verbindung zu bleiben.
Das Essen war sehr einfach, sehr gesund und sehr italienisch. Italien war schon immer stark von seinen Regionen geprägt, weshalb man vor allem lokale Gerichte kocht. Meine Mutter hatte einen wunderbaren Geschmackssinn und ist sehr kreativ in der Küche. Nach Reisen mit unseren Eltern kochte sie zu Hause immer die Sachen nach, die wir in anderen Regionen gegessen hatten. So blieben wir neugierig und lernten viel über die Kultur jenseits regionaler Grenzen.
DANIELLE PENDER Dann wurden neue Rezepte also durch die neu interpretierten Gerichte und die intuitive Kochkunst Ihrer Mutter in die Familie eingeführt und nicht durch Kochbücher?
EMILIA TERRAGNI Genau. Wir lernten so, die Zutaten immer besser zu verstehen und optimal einzusetzen. Sie war wirklich gut darin und hat das an uns weitergegeben.
DANIELLE PENDER Wie war das bei Ihnen, Bryant? Gab es ein speziell wichtiges Kochbuch in Ihrer Familie? Oder wurden die Rezepte in der Familie und in der Gemeinschaft weitergegeben?
BRYANT TERRY Meine Mutter hatte The Joy of Cooking und die Kochbücher von Betty Crocker im Regal. Sie schaute aber nur für besondere Anlässe rein, oder wenn sie etwas ausprobieren wollte. Die meisten unserer Gerichte orientierten sich einfach an den Zutaten. Für mich war Edna Lewis eine grosse Inspiration. Ich war der einzige Schwarze Student in meinem Jahrgang am Natural Gourmet Institute in New York, und als ich ihre Werke entdeckte, insbesondere A Taste of Country Cooking, wurde sie zu meiner Heldin. Sie führte ein vielseitiges Leben und hatte viele verschiedene Rollen, von der Sekretärin der Kommunistischen Partei bis zur Näherin von Oscar de la Renta. Sie lebte genau das kreative Leben, das ich mir für mich selbst wünschte.